Archiv der Kategorie: Allgemein

Mehrsprachigkeit und Bildung – Mögen Offenheit, Interesse und Zielstrebigkeit mit dir sein!

„Ich studiere „Mehrsprachigkeit und Bildung“ und arbeite als Studentische Hilfskraft in der Koordinierungsstelle Mehrsprachigkeit und Sprachliche Bildung der Uni Hamburg“

„Ach, wie cool – wie viele Sprachen sprichst du denn?“

„Ja, weißt du, darum geht es gar nicht“

„Aber worum denn dann?“

Trotz der bewussten Wahl des Studienfachs, war ich mir die erste Zeit nicht wirklich sicher, wie ich diese Frage beantworten sollte. Was bedeutet es, Mehrsprachigkeit und Bildung zu studieren?

Während meines Studiums habe ich dann gemerkt, worum es in der Theorie geht – der Anerkennung und Förderung von (migrationsbedingter) Mehrsprachigkeit im Bildungssystem. Dass Mehrsprachigkeit entscheidend in gesellschaftliche Zusammenhänge eingebettet ist, war meine wichtigste Erkenntnis, die zeitgleich mehr Fragen aufgeworfen hat. Welche Sprachen erfahren warum gesellschaftliche Anerkennung und welche nicht? Wie kann sich Mehrsprachigkeit auf die Entwicklung des Einzelnen und der Gesellschaft auswirken? Und vor allem – Wie kann die Anerkennung und Förderung von Mehrsprachigkeit in der Praxis aussehen?

Während sich die ersten beiden Fragen noch gut durch die theoretischen Grundlagen meines Studiums beantworten ließen, sah es bei der dritten Frage etwas happiger aus. Zwar gab es Hospitationen in Bildungseinrichtungen und auch verschiedene Projekte zum Thema wurden vorgestellt – für eine wirkliche Perspektive, wie sich etwas auf gesamtgesellschaftlicher (und damit bundesweiter) Ebene entwickeln kann, hat es aber nicht gereicht. Also musste ich über kurz oder lang aktiv werden. Tatsächlich ist es dank der üblichen studentischen finanziellen Nöte kurz geworden und ich habe mich bei der Koordinierungsstelle für Mehrsprachigkeit und Sprachliche Bildung (KoMBi) als studentische Hilfskraft beworben!

Der Enthusiasmus, den ich bei der Zusage empfand, sollte leider schnell etwas gedämpft werden. Der Arbeitsbeginn, der 01. April 2020, lag mitten im ersten Lockdown der Pandemie und kam mir mit dem Start ins Homeoffice tatsächlich etwas wie ein schlechter Aprilscherz vor. Doch ich habe schnell gemerkt, auch im Homeoffice gab es genug zu tun. Und tatsächlich hat mir jede Aufgabe, die ich bekommen habe, auf eine bestimmte Weise gezeigt, wie die Praxis meines Studiums aussehen kann. Die Arbeit am Handbuch „Mehrsprachigkeit und Bildung“, an den Ergebnisbroschüren der 21 geförderten Projekte, die Gestaltung der Website und mein persönliches Highlight, die Vorbereitung und Durchführung zweier wissenschaftlicher Konferenzen.

Wenn mich also jetzt nach fast erreichtem Master Abschluss und knapp zehn Monaten bei KoMBi jemand fragt, was es eigentlich bedeutet, sich mit Mehrsprachigkeit und Bildung zu beschäftigen, kann ich mehr sagen, als dass es um die Förderung von Mehrsprachigkeit im Bildungssystem geht. Ich kann sagen, dass es bedeutet offen, interessiert und zielstrebig zu sein. Offen für neue wissenschaftliche Erkenntnisse (aber auch der Frage danach, wie viele Sprachen ich denn spreche); interessiert an der Förderung und Anerkennung aller Sprachen; und zielstrebig im Hinblick auf gesamtgesellschaftliche Veränderungen.

Katja Lenz

Bevor es losgehen kann: Wie werden Studien-Teilnehmer*innen gewonnen?

Im Projekt BiPeer wurde untersucht, wie die Förderung der Deutsch-Lese- bzw. Rechenkompetenz von mehrsprachigen Grundschulkindern durch Peer-Learning gelingen kann. Etwa 160 Schüler*innen in Hessen haben zu zweit im Team nach der regulären Unterrichtszeit in 12 Einheiten über einen Zeitraum von ca. 8 Wochen Lese- oder Rechenstrategien geübt. Doch bevor das Projekt richtig starten konnte, mussten Teilnehmer*innen gewonnen werden, was die Überzeugung vieler Akteure*innen – Schulleitungen, Lehrkräfte, Eltern und Schüler*innen – voraussetzt. Diese Aufgabe ist gar nicht so einfach, denn Lehrkräfte sind in der Regel mit dem Alltagsgeschäft bereits ausgelastet und folgen einem Lehrplan. Darüber hinaus ist das Thema Datenschutz insbesondere für Eltern ein sensibles Thema, das zwar strengen Auflagen unterliegt, aber dennoch zu Unsicherheit führen kann.

Um Schüler*innen für das Projekt zu gewinnen, mussten wir Schritt für Schritt vorgehen. Der erste Schritt war es, Schulen zu gewinnen. Dafür wurden Schulleitungen telefonisch kontaktiert. Das primäre Ziel der Telefonate war es, die Schulleitungen für unser Projekt zu begeistern. Wenn dies zutraf, wurden ihnen postalisch schriftliche Informationen zum Projekt sowie eine Einverständniserklärung übermittelt. So konnten sie sich in Ruhe eine Übersicht verschaffen und alle an der Schule tätigen Lehrkräfte informieren. Denn ein Projekt darf an Hessischen Schulen nur durchgeführt werden, wenn ein positiver Beschluss der Schulkonferenz vorliegt.

Einige Schulen nahmen zusätzlich unser Angebot an, persönlich vorbeizukommen. In diesen Fällen konnten wir uns als Mitarbeiter*innen sowie das Projekt vorstellen und auf die Fragen der Lehrkräfte eingehen. Dabei ging es häufig darum, wie Schüler*innen von einer Teilnahme profitieren können und wie das Projekt konkret abläuft. Außerdem hatten wir die Gelegenheit, über Datenschutz zu sprechen. Wir konnten ausführlicher erklären, wie die Daten anonymisiert werden, sodass individuelle Daten geschützt sind und Testergebnisse später nicht mehr den einzelnen Schüler*innen zugeordnet werden können. Die persönliche Vorstellung scheint ein wichtiges Angebot zu sein, denn alle Schulen, die wir besucht haben, entschieden sich für eine Teilnahme.

Sobald eine Zusage der Schulkonferenz vorlag, wurde uns eine Lehrkraft als Ansprechpartnerin zugeteilt. Mit ihr haben wir Raumabsprachen getroffen und die erste Kontaktaufnahme mit den Eltern koordiniert. Denn nun galt es, die Eltern für die Teilnahme zu gewinnen. Bei Teilnehmer*innen, die noch nicht volljährig sind, können Forschungsprojekte nur durchgeführt werden, wenn Eltern eine schriftliche Zusage geben. Darüber hinaus muss natürlich auch eine Freiwilligkeit auf Seiten der Schüler*innen garantiert werden. Dafür wurden in den Klassen Elternanschreiben an die Schüler*innen verteilt. Sie beinhalteten Projektinformationen, unsere Kontaktdaten zur Klärung weiterer Fragen sowie Einwilligungserklärungen, die ausgefüllt an uns zurückgeschickt wurden. Erst wenn die schriftliche Zusage der Eltern vorlag, wurden diese Schüler*innen in das Projekt aufgenommen.

Es sind also viele Schritte zu gehen und Forscher*innen müssen unterschiedliche Perspektiven, Bedürfnisse und Unsicherheiten berücksichtigen, um Teilnehmer*innen für ein Forschungsprojekt zu gewinnen. Insbesondere erfordert es die Information und Zusage aller Beteiligten, damit ein Projekt erfolgreich umgesetzt werden kann.

Valentina Reitenbach

Behind the (research) scenes … Wie ist es, als Forscherin vor der Schulklasse zu stehen?

Mehrsprachigkeit soll in der Schule – u.a. im Fremdsprachenunterricht – produktiv genutzt werden. Doch was bedeutet es eigentlich, dies selbst in die Tat umzusetzen?

Das Projekt MEG-SKoRe (Sprachliche und kognitive Ressourcen der Mehrsprachigkeit im Englischerwerb in der Grundschule) entwickelt Möglichkeiten der Integration von Mehrsprachigkeit in den Englischunterricht der 4. Klasse und untersucht deren Effekte. Während einer sechsmonatigen Interventionsphase in den Schuljahren 2018/19 und 2019/20 wurden Mehrsprachigkeitsübungen zur Förderung der phonologischen Bewusstheit (z.B. Reime), zum Entdecken ausgewählter strukturelle Phänomene (z.B. Negation in verschiedenen in der Klasse vorhandenen Sprachen) und zur sprachvergleichenden Wortschatzarbeit (z. B. Kognaten erkennen) in den Englischunterricht integriert.

Als Teil des Forschungsteams war ich zugleich eine der Unterrichtenden in den Projektschulen. Die Umsetzung im Englischunterricht klappte gut – es ergaben sich jedoch auch Unterschiede zwischen (Forschungs-)Anspruch und (Unterrichts-)Wirklichkeit. Das Einführen und Einüben neuer Vokabeln in der Fremdsprache war beispielsweise in unserem mehrsprachigkeitssensiblen Englischunterricht stets mit einem Ausblick auf andere Sprachen verbunden: „Do you know this word in another language?“. Als Forschende stellte ich mir hier eine wunderbare Phase vor, in der verschiedene Wörter genannt und von den Mitschüler/innen mit Staunen zur Kenntnis genommen wurden. Dies war in der Mehrzahl der Lerngruppen tatsächlich der Fall, und die Lernenden waren stolz, sich mit ihren anderen Sprachen einbringen zu können. Mitunter stand ich als Unterrichtende allerdings vor dem Problem, dass es zwischen Sprecher/innen derselben Sprache zu Unstimmigkeiten bezüglich der korrekten Wortwahl oder Aussprache eines herkunftssprachlichen Wortes kam.

Der Unterricht, den wir als Forschende planten, war außerdem sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch des fremdsprachlichen Anspruchs sehr ambitioniert. Als Unterrichtende waren wir daher gefordert, unsere Erwartungshaltung auf ein realistisches Maß zu reduzieren. So konnten nicht alle unserer Übungen im geplanten Umfang durchgeführt werden. Vor allem das schriftliche Festhalten von Unterrichtsergebnissen stellte sich als sehr zeitaufwändig heraus, sodass wir hier im weiteren Verlauf der Intervention bevorzugt auf verschiedene Formen der mündlichen Ergebnissicherung zurückgriffen.

Nicht zuletzt galt es, einen lerngruppenadäquaten mehrsprachigkeitssensiblen Englischunterricht zu gestalten. Die z.T. großen Unterschiede zwischen den verschiedenen Klassen machten es nötig, das Konzept, das wir als Forschende verfolgten, als Unterrichtende flexibel an die Bedürfnisse der Lernenden und die Gegebenheiten vor Ort anzupassen (z.B. Ausstattung des Klassenzimmers, etablierte Methoden und Rituale). Ohnehin lag mein Fokus in manchen Situationen und Klassen weniger auf der Mehrsprachigkeitsdidaktik als auf dem Umgang mit Disziplinschwierigkeiten.

Die Doppelrolle als Forschende und Unterrichtende brachte daher einige Herausforderungen mit sich, die wir gemeinsam mit den Lehrkräften sowie den Schüler/innen gut meistern konnten. Sie hat uns vor allem sensibilisiert für die Besonderheiten des Handlungsfelds Schule. Im Schulalltag sind kreative Lösungen und alternative Handlungsmöglichkeiten gefragt, wenn man neue Ideen wie z.B. mehrsprachigkeitssensiblen Fremdsprachenunterricht umsetzen möchte.

Jenny Jakisch

Bilinguale Kommunikation als Angebot beim gemeinsamen Lernen: Wie häufig wird bilingual kommuniziert und warum (nicht)?

Obwohl ein beachtlicher Anteil der Schüler*innen mehrsprachig aufwächst, wird im Unterricht deutscher Regelschulen Deutsch gesprochen. Für den Einbezug der Sprachen von mehrsprachigen Schüler*innen in ihre Lernprozesse gibt es viele gute Gründe. Allerdings stellt sich die Frage, wie die jeweiligen Sprachen aller Schüler*innen einer Klasse in den Unterricht eingebunden werden können. Von Lehrer*innen kann nicht erwartet werden, dass sie alle Sprachen ihrer Schüler*innen beherrschen. Eine Möglichkeit stellt das Angebot dar, bei der Zusammenarbeit von Schüler*innen mit denselben Sprachen bilinguale Kommunikation untereinander zu erlauben.

Aber machen mehrsprachig aufwachsende Schüler*innen überhaupt von diesem Angebot Gebrauch?  Und wenn ja oder nicht, warum? Diesen (und weiteren) Fragen bin ich in meiner Dissertation nachgegangen. Hierfür untersuchte ich das Kommunikationsverhalten von 54 bilingual türkisch-deutschsprachig aufwachsenden Grundschüler*innen der dritten und vierten Klasse, die zu zweit im Team entweder Lese- oder Rechenstrategien nach dem Unterricht im Projekt BiPeer bearbeiteten. Den Teams wurde erlaubt, dass sie bei der Zusammenarbeit auch in Türkisch oder in Türkisch und Deutsch gemischt miteinander sprechen dürfen.

Zur Ermittlung der Häufigkeit bilingualer Kommunikation wurden Gesprächsbeiträge aufgenommen und ausgewertet. Insgesamt waren ca. 10% der ausgewerteten Gesprächsbeiträge Türkisch oder Türkisch-Deutsch gemischt, ohne relevante Unterschiede zwischen den Teams im Lese- und im Rechenstrategietraining aufzuweisen.

Die Schüler*innen wurden gefragt, ob sie miteinander Türkisch gesprochen haben oder nicht, worauf sie anschließend eine kurze Begründung aufschreiben sollten. Als Begründungen für die Nutzung bilingualer Kommunikation wurde am häufigsten angegeben, dass dies zu einer Erleichterung führte, sie nicht alles auf Deutsch sagen konnten und es Spaß gemacht hat. Allerdings gab es einen Anteil von Begründungen, die auf ein Missverständnis des Angebots als wahrgenommene Pflicht zur bilingualen Kommunikation hinwiesen. Der Verzicht auf bilinguale Kommunikation wurde fast ausschließlich mit fehlenden Kompetenzen im Türkischen oder besseren Kompetenzen im Deutschen als im Türkischen begründet.

Bilinguale Kommunikation wurde vor allem zur Organisation der Zusammenarbeit sowie zur gegenseitigen „Regulation“ (= Steuerung, Kontrolle und Bewertung des Teampartners) eingesetzt. Zur Aufgabenbearbeitung selbst sowie zur Diskussion von Lösungen wurde fast ausschließlich auf Deutsch kommuniziert.

Trotz der relativ geringen Quantität bilingualer Interaktion weisen die Selbstberichte der Schüler*innen zur Annahme des Angebots auf eine wahrgenommene Erleichterung sowie dem Empfinden von Freude hin. Organisation und gegenseitige Regulation stellen zentrale Aufgaben für eine erfolgreiche Zusammenarbeit in Teams dar und lassen sich einfach sprachlich umsetzen, was als idealer Einstieg in die bilinguale Zusammenarbeit genutzt werden kann. Trotzdem dürfte es wohl einen längerfristigen Einsatz solcher Angebote sowie mehrsprachige unterstützende Materialien benötigen, damit sich die sprachlichen Fähigkeiten verbessern und auch mehrsprachig über Bildungsinhalte kommuniziert werden kann. Zudem sollte vermehrt darauf verwiesen werden, dass es sich bei der bilingualen Kommunikation um ein freiwilliges Angebot handelt, sodass die Schüler*innen nicht den Eindruck gewinnen, auf ein bestimmtes sprachliches Verhalten festgelegt zu werden.

Martin Schastak

(Die komplette Dissertation von Martin Schastak kann als kostenlose PDF beim Verlag Barbara Budrich heruntergeladen werden: https://shop.budrich-academic.de/produkt/bilinguale-interaktion-beim-peer-learning-in-der-grundschule/)

Why is pronunciation in a foreign language so hard?

Learning to pronounce the sounds of a foreign language is very hard. Even learners with an advanced command of grammar and vocabulary can be easily spotted as having a certain mother tongue when they speak their target language. So why is it so hard to master pronunciation?

While we cannot say for sure, some explanations are offered by first-language acquisition research which asserts that the phonology of a language, i.e. a language’s distinctive inventory of speech sounds, plays a unique role in the development of the first language for two main reasons. Firstly, intonation and rhythm are the first speech elements we encounter, even before birth. Phonological units – or phonemes – are those speech sounds that differentiate meanings of words. They are learned very early in life, becoming anchored in our minds. Secondly, after about 12 months, we are so attuned to the speech sounds of our first language that we tend to misinterpret foreign speech sounds and find it hard to articulate them properly. This attunement has been proven in studies with infants and newborns who, when compared with adults, are able to promptly discern every speech sound to which they have been exposed, even where those sounds are not part of the native phoneme inventory. This ability decreases around the first birthday when children recognise those phonemes that are important for their native language.

To take an example: native English-speakers distinguish between /t/ and /th/ sounds through words such as ‘tank’ and ‘thank’, which have clearly different meanings. However, those who have acquired German from birth automatically ignore the difference between /th/ and /t/ because there is no German word where /th/ creates a shift in meaning. The processing of spoken language thereby becomes much faster as small changes in the production of speech sounds are ignored when they don’t matter to meaning. (After all, there is only a small difference between /th/ and /t/ and, while it may sound odd to say <Tisch> with /th/ at the beginning, it doesn’t give us a new word). However, this development also complicates the learning of foreign sounds as it may be precisely these small changes that are important for foreign speech production later on. For Germans, learning English pronunciation therefore means having to reset deeply rooted behaviour to become aware of phonological differences between /th/ and /t/, for example.

Accordingly, early bilinguals will have greater phonological knowledge by being exposed to a greater volume and variety of speech sounds. However, it is not yet clear whether they are more flexible in consciously detecting ‘foreignness’ which could be advantageous in learning pronunciation in an additional language. Research in phonological acquisition in multilingual minds is not as well developed as knowledge concerning grammar or vocabulary. We need further and more detailed studies on difficulties in foreign-language pronunciation and whether this undertaking may become easier the more languages we speak.

Kathrin Feindt

Negotiating language in a superdiverse UK city: Young Bengalis’ attitudes and practices

Creese and Blackledge argue that ‘superdiversity’ ought to be embedded in (socio)linguistics as it leads to new forms of language use and negotiations of identity. To this effect, they developed comparative research in complementary schools in England: Gujarati schools in Leicester, Turkish schools in London, Cantonese and Mandarin schools in Manchester, and Bengali schools in Birmingham. Observations were recorded in each school, and interviews conducted with key participant children as well as other stakeholders. The present paper focusses on the two Bengali schools in Birmingham, the second largest city in the UK with the highest proportion of ‘black and ethnic minority’ residents.

Three main findings emerged from the study. Firstly, school administrators, teachers and parents view community languages as a means to transmit heritage and preserve identity. Although they argue that children should learn the heritage language, this is not straightforward as language attitudes and practices are related in complex ways. In practice, teachers use language flexibly when communicating with pupils. Also, some children in the study showed reluctance to learn Bengali, preferring instead to speak English.

Secondly, language repertoires mark differences between speakers. Some language repertoires are considered to represent nation, heritage and culture, with their speakers superior to others. Yet some participants denied such clear differences, even ridiculing the notion that differences were based on social status. For instance, some children saw the use of official Bengali as showing off; they stated a preference for Sylheti, a rural variety of Bengali, despite its lower prestige. Furthermore, those children born in Birmingham made fun of newcomers from Bangladesh for using difficult words in Bengali while not being able to understand English.

Thirdly, the mixing of languages – translanguaging – was observed among parents, peers and teachers, indicating that it facilitates communication at home as well as in complementary schools where multiple languages are spoken.

Young multilinguals in the UK have a wide range of resources when shaping their language practices and attitudes. Creese and Blackledge scrutininse their language choices in context as emerging linguistic repertoires evolve from various sources. In developing a sociolinguistics of superdiversity, they look closely at practices of translanguaging, and consider the histories, geographies, and societies which shape them. They conclude that language choice is implicated in a group process of identity construction, which is both local and translocal.

Simone Plöger, Yi Shen & Anouk Ticheloven

Creese, A., & Blackledge, A. (2010). Towards a sociolinguistics of superdiversity. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 13(4), 549-572.

Was beeinflusst den Erwerb und Erhalt der Herkunftssprache?

Kristen, Seuring und Stanat untersuchen Bedingungen, die den Erwerb und Erhalt der Herkunftssprache bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland, die selbst oder deren Eltern aus der Türkei oder der ehemaligen Sowjetunion zugewandert sind, beeinflussen. Betrachtet werden Schüler(innen), in den Klassenstufen 2,7 und 9. Die Daten entstammen dem Nationalen Bildungspanel (NEPS), in dem Kinder und Jugendliche verschiedener Altersgruppen in regelmäßigen Abständen getestet werden.

In der Studie wird der Einfluss folgender drei Größen auf Spracherwerb getestet: Exposure (wieviel Input erfolgt in einer Sprache?), Effizienz (wie effektiv kann dieser Input verarbeitet werden?) und Motivation (die Autor(inn)en vermuten, dass größere Motivation das Sprachenlernen begünstigt). Eine weitere Frage, die verfolgt wird ist, ob sich Fähigkeiten in der Herkunftssprache in der Generationenfolge verändern. Hierbei beziehen sie Kinder von der ersten bis zur dritten Generation mit ein.

Die Kompetenzen in den Herkunftssprachen Türkisch und Russisch wurden über Hörverständnistests ermittelt; die Einflussgröße Exposure durch Fragen zum Sprachgebrauch mit Familienmitgliedern, Gleichaltrigen und Medien; Effizienz durch die kognitiven Grundfähigkeiten (Aufgaben zum schlussfolgernden Denken); und Motivation durch Fragen zur Identifikation mit der Kultur der Herkunftsgruppe sowie der Anzahl von Besuchen im Herkunftsland. Weiterhin wurde erfasst, ob die Zielperson zum Zeitpunkt der Befragung Unterricht in der Herkunftssprache erhielt.

Die Ergebnisse zeigen, dass die meisten der getesteten Kinder und Jugendlichen über Fähigkeiten in der Herkunftssprache verfügen. In der türkischstämmigen Gruppe sind diese Fähigkeiten etwas stärker ausgeprägt.Als zentraler Einflussfaktor erweist sich Exposure. Wichtig für die Entwicklung der Herkunftssprache ist also wie häufig Kinder und Jugendlichen die Herkunftssprache im Alltag nutzen. Es zeigen sich jedoch unterschiedliche Wirkungen der Gesprächspartner: in der russischsprachigen Gruppe hat die Nutzung der Herkunftssprache in der Familie einen größeren Einfluss als in der türkischsprachigen Gruppe, wo die Kommunikation mit Gleichaltrigen eine größere Rolle spielt. Die Nutzung von Medien in der Herkunftssprache ist in beiden Sprachgruppen bedeutsam, insbesondere bei den älteren Schüler(inne)n. Der Besuch des herkunftssprachlichen Unterrichts weist keinen Einfluss auf die Fähigkeiten in der Herkunftssprache auf. Allerdings wurde nur erfasst, ob die Person zum Zeitpunkt der Untersuchung den HSU besucht und nicht wie lange sie insgesamt teilgenommen hat.

Kognitive Grundfähigkeiten stehen in positivem Zusammenhang mit Fähigkeiten in der Herkunftssprache. Für Motivation ergeben sich keine einheitlichen Zusammenhänge.

In Bezug auf den Erhalt herkunftssprachlicher Kompetenz wird deutlich, dass die Kenntnisse in der Generationenfolge abnehmen, wobei der Rückgang in der dritten Generation besonders deutlich ausfällt. Weiterhin lässt sich ein stärkerer Verlust zwischen den Generationen in der russischsprachigen, als in der türkischsprachigen Gruppe beobachten.

Antje Hansen

Kristen, C., Seuring, J. & Stanat, P. (2019). Muster und Bedingungen des Erwerbs und Erhalts herkunftssprachlicher Kompetenzen. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 22(1), 143-167.

(Nicht-)Vereinbarkeit von bilingualem Vorteil und monolingualem Ideal: Wie Eltern mit mehrsprachiger Erziehung umgehen

Obwohl viele Eltern positive Einstellungen gegenüber frühem Bilingualismus bei Kindern zeigen, kann zweisprachige Erziehung unter bestimmten Umständen für sie problematisch sein. In ihrer Untersuchung eines Online-Forums für Eltern in Australien konnten Piller und Gerber feststellen, dass es bei der Sprachpolitik mehrsprachiger Familien teilweise widersprüchliche Annahmen gibt.

Gegensätzliche Annahmen resultieren teilweise aus der Sprachpolitik auf staatlicher Ebene, bzw. in diesem Fall dem institutionellen Monolingualismus. Die Autorinnen weisen darauf hin, dass in englischsprachigen Gesellschaften ein zwiespältiges Bild von Bilingualismus vorherrscht. Einerseits halten die Eltern ihrer Studie Zweisprachigkeit für einen Vorteil, während sie in ihr gleichzeitig eine Bedrohung für die Entwicklung der dominanten Umgebungssprache ihrer Kinder sehen. Diese Haltung führen die Autorinnen auf die Diskrepanz zwischen dem „public monolingual ideal“ und dem „widespread de facto multilingualism“ zurück. Während die Beherrschung der Nationalsprache Englisch als wichtigste Voraussetzung für die volle sozioökonomische Teilhabe gelte, werden Kenntnisse einer anderen Sprache höchstens als nebensächlicher Nutzen, und schlimmstenfalls als Belastung betrachtet.

Auf der anderen Seite herrscht in der Bevölkerung eine Art Scheinwahrheit über den sogenannten „bilingual advantage“, also einen Vorteil, den zwei- oder mehrsprachige Personen über monolinguale Personen hätten. Piller und Gerber bezeichnen diese Annahme als einen mächtigen Einflussfaktor auf die Sprachpolitik in Familien. Trotz ihrer positiven Haltung gegenüber Bilingualismus beziehen sich die Eltern dieser Untersuchung nur auf sehr beschränkte Aspekte, die mehrsprachige Erziehung in ihren Augen attraktiv macht, indem sie überwiegend auf akademische und ökonomische Vorteile verweisen. Neben diesen scheinen für die Eltern auch noch kognitive Fähigkeiten von Belang zu sein. Andere Vorteile, die die Beherrschung von weiteren Sprachen mitbringe, wie etwa die Teilhabe an anderen Sprechergemeinschaften und die Möglichkeit der (kulturellen) Identifikation mit diesen, werden von den Eltern vernachlässigt.

Widersprüchliche Annahmen scheinen sich auch auf Strategien mehrsprachiger Erziehung zu übertragen. Die teilnehmenden Eltern halten es für die beste Strategie, von Geburt an beide Sprachen mit dem Kind zu praktizieren, um mögliche negative Auswirkungen der „LOTE“ (Language Other Than English) auf die gesellschaftlich dominante Sprache Englisch einzudämmen. Sie halten die „One Parent One Language“ (OPOL) Strategie, bei der jeweils ein Elternteil auf einer anderen Sprache mit dem Kind spricht, für die beste Methode. Außerdem obliege es den Vätern, für den nötigen Input auf der LOTE zu sorgen. Dieses Ergebnis entsteht aus dem Design der Studie: die analysierten Haltungen und Strategien wurden überwiegend von englischsprachigen Müttern, die als primäre Betreuungspersonen fungieren, online gepostet. Obwohl sie eine „ideale“ bilinguale Erziehung planen, kann diese aufgrund der traditionellen geschlechterspezifischen Arbeitsteilung in den Familien wenig umgesetzt werden. Dennoch deuten ihre ideologischen Aussagen und ihre praktische Planung auf eine grundsätzlich monolinguale Haltung hin, die zur Strategie der Sprachtrennung führt.

Elisa Liebig

Piller, I. & Gerber, L. (2018). Family language policy between the bilingual advantage and the monolingual mindset. International Journal of Bilingual Education and Bilingualism. DOI: 10.1080/13670050.2018.1503227

Bourdieu’s Cultural Capital theory: Evolution, interpretation and prospects

Formulated in the 1960s/70s, Bourdieu’s concept of ‘cultural capital’ highlighted the ways in which educational structures reproduce social inequality. It has thus been highly influential in both educational and sociological research. Davies and Rizk ask what this theory means today, showing how three generations of cultural capital researchers have split into distinct branches, each displaying distinct methods and goals.

The first generation of researchers, mainly from North America, focused on children who grow up with ‘elite culture’ and their relative educational success. These children possess ‘cultural capital’ in terms of styles of interacting, art, and literacy. This generation mostly concludes that schools reproduce social stratification by imposing biased valuations on such cultural advantages. Here, Bourdieu´s ideas primarily added a final touch to existing findings on disparities in educational outcomes.

The second generation of researchers began to consider cultural experience, rather than social class, as a statistical predictor of status attainment. Researchers claimed that cultural activity, such as reading books and visiting museums, is the main resource that facilitates success. Placing cultural experience to the fore, this generation investigated which families engage in such activities, and which do not. On an emotional micro-level, this generation broke from Bourdieu by exploring causal explanations for active social mobility.

The third generation of researchers, from the beginning of the 21st century, has become even more dispersed. Three different streams, already present in the second generation, are now clearly visible. The first stream employs survey-based methods and quantitative tests to predict educational attainment according to cultural traditions, ethnic and linguistic dispositions, and the ways in which teachers handle these. The second stream scrutinises how parents and schools can build and/or deplete cultural capital, the role(s) that children play in such processes, and where conflicts may arise between these actors. The third stream examines status-defined group interactions between teachers, parents and youth from different cultures. For instance, they investigate how elite-white cultures interact with ethnically mixed street cultures, and how contact between various subcultures may lead to ‘mismatches’.

Because social structures and school curricula have changed in most Western societies since the cultural capital theory was developed, Davies and Rizk predict it will continue to be used in non-universal and flexible ways.

Anouk Ticheloven

Davies, S., & Rizk, J. (2018). The Three Generations of Cultural Capital Research: A Narrative Review. Review of Educational Research, 88(3), 331-365.

How effective is autonomous language learning on social media networks?

Don’t you often find yourself asking how to integrate foreign language learning into your daily life? One obvious answer is to study a language by yourself. The concept of autonomous language learning, first introduced in 1981, is highly applicable to the times in which we live. With the development of technology, the internet and social media networks, new and complex means of communication enable us to chat and share in networks of people across the globe, at any time. Informal aspects of autonomous language learning have therefore become more salient. Antonie Alm picks up on this by examining how advanced language students use Facebook in their second language (L2).

Alm surveyed 71 university students in New Zealand who had studied either French, German, Japanese or Spanish; two thirds of those students had previously been on a school and/or university exchange to develop their respective L2 skills. By means of a questionnaire and personal interviews, he collected information about the creation of personal multilingual environments on Facebook, digital interaction practices, and how useful students perceived online language learning.

Alm found that students who had been on a high school and/or university exchange, and therefore had more international Facebook networks, valued the usefulness of Facebook more than those students who had not been abroad. Chatting was also very popular amongst the former exchange students as it allowed them to keep in touch with friends as well as to practice their language skills. Students appreciated the informal setting of Facebook, where it is acceptable to make mistakes, as the communicative aspect is more important than the linguistic one. Articles in the relevant L2 appearing in newsfeeds was also considered important. Yet many of those same students found it unnatural to share articles, write comments or post status updates in their L2. Alm concludes, however, that this also depends on the student’s first language: Posts or comments in English by non-native speakers were found to be a lot more acceptable. As the global lingua franca, English posts may be understood by many readers, whereas a post in, say, German willingly targets fewer people – especially when written by native speakers of English.

L2 use on social media is strongly determined by the social aspect. Keeping in touch with friends from abroad encourages such language use and, the larger the network of people who speak your L2, the greater the chance of you reading and chatting more frequently in your target language.  But Alm also concludes that English-speaking university students are not always aware of the benefits of social media for autonomous language learning.

So, if you want to effectively improve your language skills, the first step is to join an active Facebook group today and then get out there and go on exchange tomorrow!

Annika Schilk

Alm, A. (2018). Advanced language learners as autonomous language users on Facebook. In: J. Buendgens-Kosten and D. Elsner (eds.), Multilingual Computer Assisted Language Learning, pp. 191-208. Bristol: Multilingual Matters