(Nicht-)Vereinbarkeit von bilingualem Vorteil und monolingualem Ideal: Wie Eltern mit mehrsprachiger Erziehung umgehen

Obwohl viele Eltern positive Einstellungen gegenüber frühem Bilingualismus bei Kindern zeigen, kann zweisprachige Erziehung unter bestimmten Umständen für sie problematisch sein. In ihrer Untersuchung eines Online-Forums für Eltern in Australien konnten Piller und Gerber feststellen, dass es bei der Sprachpolitik mehrsprachiger Familien teilweise widersprüchliche Annahmen gibt.

Gegensätzliche Annahmen resultieren teilweise aus der Sprachpolitik auf staatlicher Ebene, bzw. in diesem Fall dem institutionellen Monolingualismus. Die Autorinnen weisen darauf hin, dass in englischsprachigen Gesellschaften ein zwiespältiges Bild von Bilingualismus vorherrscht. Einerseits halten die Eltern ihrer Studie Zweisprachigkeit für einen Vorteil, während sie in ihr gleichzeitig eine Bedrohung für die Entwicklung der dominanten Umgebungssprache ihrer Kinder sehen. Diese Haltung führen die Autorinnen auf die Diskrepanz zwischen dem „public monolingual ideal“ und dem „widespread de facto multilingualism“ zurück. Während die Beherrschung der Nationalsprache Englisch als wichtigste Voraussetzung für die volle sozioökonomische Teilhabe gelte, werden Kenntnisse einer anderen Sprache höchstens als nebensächlicher Nutzen, und schlimmstenfalls als Belastung betrachtet.

Auf der anderen Seite herrscht in der Bevölkerung eine Art Scheinwahrheit über den sogenannten „bilingual advantage“, also einen Vorteil, den zwei- oder mehrsprachige Personen über monolinguale Personen hätten. Piller und Gerber bezeichnen diese Annahme als einen mächtigen Einflussfaktor auf die Sprachpolitik in Familien. Trotz ihrer positiven Haltung gegenüber Bilingualismus beziehen sich die Eltern dieser Untersuchung nur auf sehr beschränkte Aspekte, die mehrsprachige Erziehung in ihren Augen attraktiv macht, indem sie überwiegend auf akademische und ökonomische Vorteile verweisen. Neben diesen scheinen für die Eltern auch noch kognitive Fähigkeiten von Belang zu sein. Andere Vorteile, die die Beherrschung von weiteren Sprachen mitbringe, wie etwa die Teilhabe an anderen Sprechergemeinschaften und die Möglichkeit der (kulturellen) Identifikation mit diesen, werden von den Eltern vernachlässigt.

Widersprüchliche Annahmen scheinen sich auch auf Strategien mehrsprachiger Erziehung zu übertragen. Die teilnehmenden Eltern halten es für die beste Strategie, von Geburt an beide Sprachen mit dem Kind zu praktizieren, um mögliche negative Auswirkungen der „LOTE“ (Language Other Than English) auf die gesellschaftlich dominante Sprache Englisch einzudämmen. Sie halten die „One Parent One Language“ (OPOL) Strategie, bei der jeweils ein Elternteil auf einer anderen Sprache mit dem Kind spricht, für die beste Methode. Außerdem obliege es den Vätern, für den nötigen Input auf der LOTE zu sorgen. Dieses Ergebnis entsteht aus dem Design der Studie: die analysierten Haltungen und Strategien wurden überwiegend von englischsprachigen Müttern, die als primäre Betreuungspersonen fungieren, online gepostet. Obwohl sie eine „ideale“ bilinguale Erziehung planen, kann diese aufgrund der traditionellen geschlechterspezifischen Arbeitsteilung in den Familien wenig umgesetzt werden. Dennoch deuten ihre ideologischen Aussagen und ihre praktische Planung auf eine grundsätzlich monolinguale Haltung hin, die zur Strategie der Sprachtrennung führt.

Elisa Liebig

Piller, I. & Gerber, L. (2018). Family language policy between the bilingual advantage and the monolingual mindset. International Journal of Bilingual Education and Bilingualism. DOI: 10.1080/13670050.2018.1503227

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