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Führt Mehrsprachigkeit zu Vorteilen beim Fremdsprachenlernen?

In Bezug auf den Einfluss von Mehrsprachigkeit auf das Fremdsprachenlernen ist die Forschungslage uneinig. Einige Studien weisen auf Vorteile von Mehrsprachigen gegenüber Einsprachigen hin, aus anderen Studien gehen keine Unterschiede zwischen diesen Gruppen hervor. Maluch und Kempert führen die uneinheitliche Forschungslage auf die Heterogenität von Bilingualen und ihren Lebenswelten im Migrationskontext zurück. In ihrer Studie untersuchen sie den Einfluss verschiedener Aspekte von Bilingualität auf das Lernen der Fremdsprache Englisch.

Dabei betrachten sie Bilinguale nicht als homogene Gruppe, sondern differenzieren in Bezug auf die Reihenfolge des Spracherwerbs (gleichzeitig oder nacheinander), die Art und Weise des Spracherwerbs (informell in der Familie oder durch formalen Unterricht) und die Sprachpraxis (wie oft nutzt und wechselt ein Sprecher zwischen den Sprachen). Kompetenzen im Englischen werden über das Hör- und Leseverstehen bilingualer und monolingualer Schüler(innen) der 8. und 9. Klasse in Deutschland erfasst.

In der Analyse zeigen sich Vorteile bei bestimmten Gruppen:

  • Bilinguale, die formalen Unterricht in der Herkunftssprache erhalten haben, weisen höhere Englischhör- und –lesekompetenz auf als Bilinguale, die ihre Herkunftssprache informell in der Familie erworben und auch als die monolingualen Mitschüler(innen).
  • Bilinguale, die ihre Sprachen gleichzeitig erworben haben, weisen höhere Englischhör- und –lesekompetenz auf als Bilinguale, die ihre Sprachen nacheinander erworben haben und auch als die monolingualen Mitschüler(innen).
  • Bilinguale, die ihre beiden Sprachen oft benutzen und häufig zwischen den Sprachen wechseln, weisen bessere Englischkompetenzen auf als Bilinguale, die selten zwischen den Sprachen wechseln und auch als die monolingualen Mitschüler(innen).

Die Ergebnisse stützen die Annahme, dass Bilingualität per se keinen Vorteil beim Fremdsprachenlernen darstellt, jedoch bestimmte Aspekte von Mehrsprachigkeit Vorteile mit sich bringen. Insbesondere sind dies Faktoren, die eine hohe Kompetenzentwicklung in der allgemeinen Verständigungssprache und der Herkunftssprache fördern. Wichtig sei, beide Sprachen früh zu erwerben, formalen Unterricht in den Sprachen zu erhalten und beide Sprachen häufig zu nutzen. Dann würden kognitive Fähigkeiten und Sprachbewusstheit entwickelt, die das Fremdsprachenlernen begünstigen.

Antje Hansen

Maluch, J.T. & Kempert, S. (2017). Bilingual profiles and third language learning: the effects of the manner of learning, sequence of bilingual acquisiton, and language use practices. International Journal of Bilingual Education and Bilingualism. https://doi.org/10.1080/13670050.1322036

Wie die ethnische Zusammensetzung der Nachbarschaft die Sprachpraxis je nach Generationenstatus beeinflusst

Miranda Vervoort und Kollegen zeigen in ihrer Studie auf, dass der Anteil Migranten in einer Nachbarschaft für zwei der größten Migrantenpopulationen Hollands – den Türken und Marokkanern – sowohl Herausforderung als auch Chance für den Umgang mit Bilingualität bedeutet. Angenommen wird, dass die holländische und herkunftsbezogene Sprachpraxis je nach ethnischer Zusammensetzung der Nachbarschaft und je nach Generationenstatus unterschiedlich stark beeinflusst werden. Ein hoher Migrantenanteil in der Nachbarschaft bietet für Migranten der ersten Generation demnach weniger Anreize und Gelegenheiten, die holländische Sprache zu lernen und zu sprechen. Er erhöht aber gleichzeitig den Druck, die Herkunftssprache zu nutzen. Für Migranten der zweiten Generation, die aufgrund ihrer Sozialisation in Holland die Landessprache verwenden, bietet ein hoher Migrantenanteil hingegen die Chance, die Herkunftssprache zu erlernen und zu gebrauchen und die bilinguale Sprachpraxis zu fördern.

Die Autoren stellten fest, dass für Türken und Marokkaner der ersten Generation ein hoher Migrantenanteil in der Nachbarschaft mit einer weniger entwickelten holländischen und einer besseren herkunftsbezogenen Sprachpraxis verbunden ist. Auch Migranten der zweiten Generation verbessern sich in ihrer Herkunftssprache, wenn eine hohe ethnische Konzentration in der Nachbarschaft existiert.

Für Migranten der ersten Generation zeigt die Studie weiter, dass Kontakte mit Holländern trotz dem Kontakt zu Personen derselben Herkunftsgesellschaft zu einer Verbesserung der holländischen Sprachpraxis beiträgt. Ferner gibt die Berücksichtigung von Kontakten mit Migranten aus derselben Herkunftsgesellschaft zu erkennen, dass die ethnische Zusammensetzung der Nachbarschaft vor allem indirekt über zwischenmenschliche Beziehungen einen Einfluss auf die Sprachpraxis von Türken und Marokkanern hat.

Da die Befunde lediglich eine Momentaufnahme sind, können keine Hinweise auf ein Ursache-Wirkung-Verhältnis geliefert werden. Wirkt sich etwa eine hohe ethnische Konzentration wirklich positiv auf die herkunftsbezogene Sprachpraxis von Migranten aus oder ziehen Migranten in Wohnumgebungen mit hohem Migrantenanteil? Inwiefern die eine, die andere oder beide Möglichkeiten zutreffen, kann mit der Studie von Vervoort und Kollegen nicht beantwortet werden und muss in zukünftigen Vorhaben erforscht werden.

Andreas Genoni

Vervoort, M., Dagevos, J., & Flap, H. (2012). Ethnic concentration in the neighbourhood and majority and minority language: a study of first and second-generation immigrants. Social Science Research, 41(3), 555-569.

Nichtsprechenwollen: ,ungesprochene‘ Mehrsprachigkeit in Kindertageseinrichtungen

Das Nichtsprechenwollen der Herkunftssprache beschreiben Melanie Kuhn und Isabell Diehm als ein Phänomen, bei dem mehrsprachige Kinder zwar durchaus Kompetenzen in ihrer Herkunftssprache aufweisen, diese aber nicht sprechen wollen. Eine ungesprochene Mehrsprachigkeit wäre demnach bei Kindern der Fall, die in einem mehrsprachigen Umfeld aufwachsen und über mehrsprachige Sprachkenntnisse verfügen, aber nur einsprachig agieren.

Als Teilaspekt des Projektes „Ethnische Heterogenität und die Genese von Ungleichheit in Bildungseinrichtungen der (frühen) Kindheit“ untersuchten sie in Elterngesprächen, wie pädagogische Fachkräfte im Gespräch mit Eltern durch Beschreibung von Lern- und Entwicklungsschritten Unterschiede und Ungleichheit zwischen Kindern generieren. Kuhn und Diehm stießen dabei auf Gesprächsbestandteile, welche das Nichtsprechenwollen mehrsprachiger Kinder beinhalten. Bei diesen Entwicklungsgesprächen ging zumeist eine Problematisierung der Situation durch die Eltern voraus, welche dann aber von den pädagogischen Fachkräften als ‚normal‘ beschrieben wurde.

Das Nichtsprechenwollen der Herkunftssprache durch die Kinder wird in den Elterngesprächen über drei Arten erklärt und beschrieben: Als (1) Frage der Kompetenz; als (2) Frage der Entwicklung; und als (3) Frage der Identitätsstiftung und -findung. Das Nichtsprechenwollen des Kindes in Form der Kompetenz, wird dahingehend konstruiert, dass das Kind zwar Kompetenzen in der Herkunftssprache hat, diese aber aufgrund der bilingualen Kompetenzen der Eltern zuhause nicht sprechen muss und damit nicht will. Im Sinne der Entwicklung wird Nichtsprechenwollen als normale Entwicklungsphase des Sprachgebrauchs entlarvt, dem ein Sprechen der Herkunftssprache in anderen Entwicklungsphasen folgen wird. Als letztes wird erklärt, dass sich die Kinder in einer Phase der Identitätsfindung befinden und ein phasenhaftes Nichtsprechen der Herkunftssprache auch hier normal sei. Zentral ist, dass die pädagogischen Fachkräfte zum einen das Nichtsprechenwollen als vorübergehendes Phänomen normalisieren und zum anderen in die Erziehungspraktiken der Eltern einwirken, in dem sie postulieren, dass diese nicht in die Sprachpraktiken ihres Kindes regulierend eingreifen sollen.

Maren Frank

Kuhn, M. & Diehm, I. (2015). Sprechen über das Sprechen der Kinder. Thematisierungsweisen ,ungesprochener‘ Mehrsprachigkeit im elementarpädagogischen Feld. In: Schnitzer, A. & Mörgen, R. (Hrsg.) Mehrsprachigkeit und (Un-)Gesagtes. Sprachen als soziale Praxis in der Migrationsgesellschaft. Weinheim, Basel: Beltz Juventa, S. 109-130.

Die vermeintliche Eindeutigkeit von Sprachstatistiken und Konsequenzen für die Schule

Angaben über die Sprache(n), die Schülerinnen und Schüler in der Familie sprechen, werden in vielen Ländern im Laufe des Anmeldeverfahrens zur Schule erhoben. Brigitta Busch analysiert, was mit diesen Daten passiert und welche Konsequenzen das beispielsweise für den Schulalltag hat. Sie deckt dabei als grundlegendes Problem auf, dass Monolingualität in vielen Statistiken zur Norm erhoben wird und individuelle Mehrsprachigkeit nicht mehr sichtbar ist.

Das Verschwinden von individueller Mehrsprachigkeit in Sprachstatistiken zeigt Busch am Beispiel der österreichischen Bevölkerungsstatistik: Hier ist es möglich, bis zu drei Sprachen als Erstsprachen anzugeben; Personen, die neben Deutsch weitere Sprachen nennen, werden automatisch der Kategorie „nichtdeutsche Umgangssprache“ zugeordnet. In die Aufschlüsselung der einzelnen Sprachen fließt dann sogar nur eine der genannten Sprachen ein. Das komplexe sprachliche Repertoire einer Person geht dabei verloren. Busch wirft für ihre Analysen einen Blick zurück in die historische Entwicklung von Sprachstatistiken seit dem 19. Jahrhundert und kommt zu dem Ergebnis, dass die monolinguale Norm, die den heutigen Sprachstatistiken zugrunde liegt, historisch gewachsen ist.

Heute wird durch die Zuordnung von Schülerinnen und Schülern zur Kategorie „andere Sprachen als Deutsch“ eine nicht markierte Norm von Schülerinnen und Schülern mit Deutsch als Muttersprache hergestellt. Wenn man der Kategorie „andere Sprache als Deutsch“ zugeordnet ist, haftet einem das oft über die ganze Schulzeit an. Veränderungen im Sprachrepertoire oder in wichtigen Bezugssprachen haben dann keinen Platz. Auch werden bei den als „DaZ-Schülerinnen und Schülern“ markierten Kindern oft a priori Förderbedarfe und sprachliche Defizite angenommen. Schwierig ist im Fall der Sprachstatistiken zudem, dass an die sprachlichen Angaben (bildungs-)politische Entscheidungen geknüpft sind – so z.B. die Berechnung von Lehrerstellen – und sie die Grundlage für gesellschaftliche Diskurse über Migration und Sprache schaffen.

Als Alternativen zu gängigen Vorgehensweisen schlägt Busch vor, in Schulen die sprachlichen Ressourcen der Schülerinnen und Schüler, aber auch der Eltern und der Lehrkräfte detailliert zu erheben, um dann situativ handeln zu können. Letztlich gehe es darum, die mehrsprachige Realität einer Gesellschaft in der Schule aufzugreifen und sichtbar zu machen. Heterogenität, sei es in sprachlicher oder in anderer Hinsicht, solle positiv erfahrbar sein und eine Lernvoraussetzung darstellen – kein Lernhindernis.

Friederike Dobutowitsch

Busch, B. (2015). Über das Kategorisieren von Sprachen und Sprecher_innen. In: Thoma, N. & Knappik, M. (Hrsg.) Sprache und Bildung in Migrationsgesellschaften. Machtkritische Perspektiven auf ein prekarisiertes Verhältnis. Bielefeld: transcript, S. 45-67

Sprachen und ihr Image aus der Sicht von Jugendlichen

Mit der Frage, welche drei Sprachen (außer Deutsch) sie gern perfekt beherrschen würden, wurden ca. 600 Schülerinnen und Schüler der 9. und 10. Klasse in einer Studie angeregt, sich darüber zu äußern, wie sie die verschiedenen Sprachen in ihrer Umgebung wahrnehmen. Weiterhin konnten die Jugendlichen jeweils drei Sprachen nennen, die ihnen sympathisch oder unsympathisch sind, sowie drei Sprachen bestimmen, die an der Schule gelernt werden sollten. Zudem gaben sie auf einer Skala von „sehr gut“ bis „sehr schlecht“ an, wie ihnen die verschiedenen Sprachen gefallen. In der Studie wurden auch die Erstsprachen der Schülerinnen und Schüler erfasst.

Die Befragung war Teil einer deutschlandweiten Repräsentativumfrage zu den Einstellungen der Bevölkerung gegenüber den sie umgebenden Sprachen und der Mehrsprachigkeit allgemein. Die Untersuchung von Einstellungen zu verschiedenen Sprachen ist insofern interessant, als sie auch Aufschluss über die Einstellungen zu den jeweiligen Sprechergruppen gibt.

Englisch, Spanisch und Französisch kristallisierten sich als die Sprachen heraus, welche die meisten Jugendlichen beherrschen und in der Schule lernen wollen. Gründe hierfür könnten die Verbreitung dieser Sprachen und ihre Bedeutung als Schulfremdsprachen sein. Als sympathisch wurden am häufigsten die südeuropäischen Sprachen Spanisch und Italienisch sowie die lingua franca Englisch empfunden, als unsympathisch dagegen Türkisch, Russisch und Französisch – bei letzterem wird als Grund vermutet, dass es als schwierige Sprache gilt.

Statistische Analysen ergaben weitere interessante Einsichten: In erster Linie fallen die positiven Bewertungen der Jugendlichen in Bezug auf ihre Erstsprachen auf. Die Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Erstsprache bewerteten vor allem das Deutsche positiv, während die Jugendlichen mit Türkisch als Erstsprache besonders am Türkischen Gefallen äußerten und bei den Schülerinnen und Schülern mit Polnisch oder Russisch als zuerst gelernter Sprache eben diese Sprachen in der Bewertung am besten abschnitten.

Auch der Einfluss von Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf die sprachbezogenen Einstellungen der Mitschülerinnen und Mitschüler wurde untersucht. In Klassen mit einem hohen Anteil an mehrsprachigen Jugendlichen wurden das Türkische, Polnische und Russische seltener als unsympathische Sprachen genannt als in Klassen mit einem geringen Anteil an mehrsprachigen Jugendlichen. Somit scheint der Kontakt mit Gleichaltrigen anderer Herkunft die Offenheit gegenüber ihren Sprachen unter den Mitschülerinnen und Mitschülern zu erhöhen.

Joanna Burkhardt

Rothe, A. (2012). Deutsch und andere Sprachen. In: Eichinger, L. M. u.a. (Hrsg.) Sprache und Einstellungen. Spracheinstellungen aus sprachwissenschaftlicher und sozialpsychologischer Perspektive. Tübingen: Narr, S. 119-161.

Wirkungsvolle Sprachfördermaßnahmen aus ExpertInnensicht

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz, in der rund ein Viertel der Schülerschaft einen Migrationshintergrund besitzt, weist ihre Integration in die Schule häufig Mängel auf, was sich in einem geringen Bildungserfolg dieser SchülerInnen äußert.

Um diese Situation zu verändern, sucht Stephan Rösselet nach Möglichkeiten der Förderung der schulsprachlichen Kompetenzen von SchülerInnen mit Migrationshintergrund mit dem Ziel, zur Verbesserung ihres Schulerfolgs beizutragen. In seiner Untersuchung befragt er ExpertInnen zu der Wirksamkeit und Durchführbarkeit verschiedener Fördermaßnahmen schulsprachlicher Kompetenzen bei mehrsprachigen SchülerInnen mit Migrationshintergrund. Hierfür verwendet er eine sogenannte Delphi-Befragung. Dabei handelt es sich um ein mehrmalig und anonym durchgeführtes Gruppenbefragungsverfahren, durch das die Meinungen von ExpertInnen gesammelt und verdichtet werden, so dass sich letztlich ein Konsens abbilden lässt.

Insgesamt nahmen 176 ExpertInnen aus Wissenschaft, Bildungsadministration und Praxis an der zweiwelligen Befragung teil. Im ersten Fragebogen sollten die teilnehmenden ExpertInnen zum einen den Wirksamkeits- und Durchführbarkeitsgrad von Sprachfördermaßnahmen bewerten und zum anderen die fünf relevantesten von vorgegebenen Fördermaßnahmenbereichen auswählen. Maßnahmen, in deren Bewertung kein Konsens bestand, wurden konkretisiert und den ExpertInnen gemeinsam mit den Antworten der anderen ExpertInnen aus der ersten Befragungsrunde sowie mit deren Kommentaren zurückgemeldet.

Die Ergebnisse zeigen, dass die befragten ExpertInnen eine gleichzeitige und langanhaltende Förderung sowohl in der Herkunfts- als auch in der Unterrichtssprache als wichtig und wirksam empfinden, um den Schulerfolg von mehrsprachigen SchülerInnen zu unterstützen. Sie halten diese gleichzeitige Förderung für wesentlich effektiver als die ausschließliche Förderung von nur einer der beiden Sprachen. Außerdem verdeutlichen ihre Antworten, dass besonders integrierte Schulmodelle als sinnvoll betrachtet werden. Hierbei werden SchülerInnen mit unterschiedlichen Leistungsniveaus in einem Klassenverbund unterrichtet. Die einzelnen Unterrichtsfächer werden je nach Leistungsstand der SchülerInnen unterteilt (beispielsweise in Kurse für Leistungsstärkere und Leistungsschwächere). Dadurch können die SchülerInnen auch sprachlich individueller gefördert werden. Dementsprechend halten die ExpertInnen es für sinnvoll, Lehrkräfte dahingehend aus- und weiterzubilden, dass sie ihre SchülerInnen individuell fördern können. Zudem befürworten sie eine Durchmischung der Klassen nach sprachlichen und kulturellen Kriterien. Viele der ExpertInnen glauben allerdings, dass sich die Förderung der Schulsprache wesentlich leichter durchführen lässt als die Förderung der Herkunftssprachen. Ein Grund hierfür kann die große Vielfalt der  Herkunftssprachen sein.

Viktoria Stangneth

Rösselet, S. (2012). ExpertInnen machen Schule. Ergebnisse einer Delphibefragung zur Förderung von SchülerInnen mit Migrationshintergrund (1.Aufl.). Wiesbaden: Springer VS.

Was bringt herkunftssprachlicher Unterricht für die Sprachentwicklung?

Herkunftssprachlicher Unterricht (HSU) ist ein mit vielen Erwartungen verbundenes aber wenig erforschtes Feld. Edina Krompàk geht in ihrer Studie dem Einfluss des Besuchs des herkunftssprachlichen Unterrichts in der Schweiz auf die Entwicklung der Erst- (hier: Albanisch) und Zweitsprache (hier: Deutsch) nach.

Um den Einfluss des HSU auf die Sprachentwicklung zu bestimmen, wurden die sprachlichen Fähigkeiten im Deutschen und im Albanischen von SchülerInnen der 4. und 5. Klasse am Anfang und Ende eines Jahres gemessen. Die Untersuchung wurde in zwei Gruppen durchgeführt: Die eine Gruppe besucht seit über einem Jahr regelmäßig den HSU, die andere Gruppe hat den HSU nie besucht.

Für beide Gruppen lässt sich nach einem Jahr ein Lernzuwachs im Albanischen feststellen. Der Lernzuwachs bei der Gruppe ohne HSU kann mit der natürlichen Entwicklung in der Herkunftssprache erklärt werden. Der Lernzuwachs der Gruppe mit HSU jedoch übertrifft den Lernzuwachs der Gruppe ohne HSU bedeutend. Krompàk folgert, dass der HSU die sprachlichen Leistungen in der Herkunftssprache (Albanisch) verbessert.

Ebenfalls haben beide Gruppen nach einem Jahr einen Lernzuwachs im Deutschen. Der Lernzuwachs der Gruppe mit HSU unterscheidet sich jedoch nicht bedeutsam vom Lernzuwachs der Gruppe ohne HSU. Der Besuch des HSU scheint keinen Einfluss auf die Entwicklung der Deutschkompetenzen zu haben.

Weiterhin fällt auf, dass Kinder, die den Albanischunterricht besuchen, sowohl im Albanischen als auch im Deutschen bessere Resultate aufweisen als die Kinder, die den Albanischunterricht nicht besuchen. Krompàks Studie untermauert damit die These, dass die institutionalisierte Förderung der Herkunftssprache die Entwicklung des Deutschen nicht beeinträchtigt.

Krompàk untersucht weitere Einflussfaktoren der Sprachentwicklung und kommt zu dem Ergebnis, dass die elterliche Unterstützung einen positiven Einfluss auf die Entwicklung der Herkunftssprache darstellt. In ihrer Untersuchung zeigt sich eine Rollenaufteilung zwischen Müttern und Vätern. Während die Väter hauptsächlich bei den Hausaufgaben helfen, konzentrieren sich die Mütter insbesondere auf den kommunikativen Bereich (Sprachanlässe schaffen, Sprachspiele). Die Eltern, deren Kinder den HSU besuchen, üben diese Aktivitäten bedeutend häufiger in der Herkunftssprache aus.

Die Gründe der Eltern für den HSU Besuch sind vor allem das Erlenen der Muttersprache, die Förderung der Mehrsprachigkeit der Kinder, das Lernen über die Herkunftsländer und die bessere Integration in die Gesellschaft.

Auf die Frage warum das Kind den HSU nicht besucht wurde geantwortet: Weil das Kind es nicht will, weil es keine Möglichkeit gibt den HSU zu besuchen, weil die Eltern es nicht wollen, wegen der Lehrperson. Andere Antworten betrafen die mangelnde Information über den HSU, sowie die elterliche Ansicht, dass es keinen Nutzen hat den HSU zu besuchen: die Kinder beherrschten die Herkunftssprache schon ausreichend, die Kinder sollen nicht den Unterricht in der deutschen Sprache verpassen.

Antje Hansen

Caprez-Krompàk, E. (2010). Entwicklung der Erst- und Zweitsprache im interkulturellen Kontext. Eine empirische Untersuchung über den Einfluss des Unterrichts in heimatlicher Sprache und Kultur (HSK) auf die Sprachentwicklung. Münster: Waxmann.