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Wirkungsvolle Sprachfördermaßnahmen aus ExpertInnensicht

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz, in der rund ein Viertel der Schülerschaft einen Migrationshintergrund besitzt, weist ihre Integration in die Schule häufig Mängel auf, was sich in einem geringen Bildungserfolg dieser SchülerInnen äußert.

Um diese Situation zu verändern, sucht Stephan Rösselet nach Möglichkeiten der Förderung der schulsprachlichen Kompetenzen von SchülerInnen mit Migrationshintergrund mit dem Ziel, zur Verbesserung ihres Schulerfolgs beizutragen. In seiner Untersuchung befragt er ExpertInnen zu der Wirksamkeit und Durchführbarkeit verschiedener Fördermaßnahmen schulsprachlicher Kompetenzen bei mehrsprachigen SchülerInnen mit Migrationshintergrund. Hierfür verwendet er eine sogenannte Delphi-Befragung. Dabei handelt es sich um ein mehrmalig und anonym durchgeführtes Gruppenbefragungsverfahren, durch das die Meinungen von ExpertInnen gesammelt und verdichtet werden, so dass sich letztlich ein Konsens abbilden lässt.

Insgesamt nahmen 176 ExpertInnen aus Wissenschaft, Bildungsadministration und Praxis an der zweiwelligen Befragung teil. Im ersten Fragebogen sollten die teilnehmenden ExpertInnen zum einen den Wirksamkeits- und Durchführbarkeitsgrad von Sprachfördermaßnahmen bewerten und zum anderen die fünf relevantesten von vorgegebenen Fördermaßnahmenbereichen auswählen. Maßnahmen, in deren Bewertung kein Konsens bestand, wurden konkretisiert und den ExpertInnen gemeinsam mit den Antworten der anderen ExpertInnen aus der ersten Befragungsrunde sowie mit deren Kommentaren zurückgemeldet.

Die Ergebnisse zeigen, dass die befragten ExpertInnen eine gleichzeitige und langanhaltende Förderung sowohl in der Herkunfts- als auch in der Unterrichtssprache als wichtig und wirksam empfinden, um den Schulerfolg von mehrsprachigen SchülerInnen zu unterstützen. Sie halten diese gleichzeitige Förderung für wesentlich effektiver als die ausschließliche Förderung von nur einer der beiden Sprachen. Außerdem verdeutlichen ihre Antworten, dass besonders integrierte Schulmodelle als sinnvoll betrachtet werden. Hierbei werden SchülerInnen mit unterschiedlichen Leistungsniveaus in einem Klassenverbund unterrichtet. Die einzelnen Unterrichtsfächer werden je nach Leistungsstand der SchülerInnen unterteilt (beispielsweise in Kurse für Leistungsstärkere und Leistungsschwächere). Dadurch können die SchülerInnen auch sprachlich individueller gefördert werden. Dementsprechend halten die ExpertInnen es für sinnvoll, Lehrkräfte dahingehend aus- und weiterzubilden, dass sie ihre SchülerInnen individuell fördern können. Zudem befürworten sie eine Durchmischung der Klassen nach sprachlichen und kulturellen Kriterien. Viele der ExpertInnen glauben allerdings, dass sich die Förderung der Schulsprache wesentlich leichter durchführen lässt als die Förderung der Herkunftssprachen. Ein Grund hierfür kann die große Vielfalt der  Herkunftssprachen sein.

Viktoria Stangneth

Rösselet, S. (2012). ExpertInnen machen Schule. Ergebnisse einer Delphibefragung zur Förderung von SchülerInnen mit Migrationshintergrund (1.Aufl.). Wiesbaden: Springer VS.

Was bringt herkunftssprachlicher Unterricht für die Sprachentwicklung?

Herkunftssprachlicher Unterricht (HSU) ist ein mit vielen Erwartungen verbundenes aber wenig erforschtes Feld. Edina Krompàk geht in ihrer Studie dem Einfluss des Besuchs des herkunftssprachlichen Unterrichts in der Schweiz auf die Entwicklung der Erst- (hier: Albanisch) und Zweitsprache (hier: Deutsch) nach.

Um den Einfluss des HSU auf die Sprachentwicklung zu bestimmen, wurden die sprachlichen Fähigkeiten im Deutschen und im Albanischen von SchülerInnen der 4. und 5. Klasse am Anfang und Ende eines Jahres gemessen. Die Untersuchung wurde in zwei Gruppen durchgeführt: Die eine Gruppe besucht seit über einem Jahr regelmäßig den HSU, die andere Gruppe hat den HSU nie besucht.

Für beide Gruppen lässt sich nach einem Jahr ein Lernzuwachs im Albanischen feststellen. Der Lernzuwachs bei der Gruppe ohne HSU kann mit der natürlichen Entwicklung in der Herkunftssprache erklärt werden. Der Lernzuwachs der Gruppe mit HSU jedoch übertrifft den Lernzuwachs der Gruppe ohne HSU bedeutend. Krompàk folgert, dass der HSU die sprachlichen Leistungen in der Herkunftssprache (Albanisch) verbessert.

Ebenfalls haben beide Gruppen nach einem Jahr einen Lernzuwachs im Deutschen. Der Lernzuwachs der Gruppe mit HSU unterscheidet sich jedoch nicht bedeutsam vom Lernzuwachs der Gruppe ohne HSU. Der Besuch des HSU scheint keinen Einfluss auf die Entwicklung der Deutschkompetenzen zu haben.

Weiterhin fällt auf, dass Kinder, die den Albanischunterricht besuchen, sowohl im Albanischen als auch im Deutschen bessere Resultate aufweisen als die Kinder, die den Albanischunterricht nicht besuchen. Krompàks Studie untermauert damit die These, dass die institutionalisierte Förderung der Herkunftssprache die Entwicklung des Deutschen nicht beeinträchtigt.

Krompàk untersucht weitere Einflussfaktoren der Sprachentwicklung und kommt zu dem Ergebnis, dass die elterliche Unterstützung einen positiven Einfluss auf die Entwicklung der Herkunftssprache darstellt. In ihrer Untersuchung zeigt sich eine Rollenaufteilung zwischen Müttern und Vätern. Während die Väter hauptsächlich bei den Hausaufgaben helfen, konzentrieren sich die Mütter insbesondere auf den kommunikativen Bereich (Sprachanlässe schaffen, Sprachspiele). Die Eltern, deren Kinder den HSU besuchen, üben diese Aktivitäten bedeutend häufiger in der Herkunftssprache aus.

Die Gründe der Eltern für den HSU Besuch sind vor allem das Erlenen der Muttersprache, die Förderung der Mehrsprachigkeit der Kinder, das Lernen über die Herkunftsländer und die bessere Integration in die Gesellschaft.

Auf die Frage warum das Kind den HSU nicht besucht wurde geantwortet: Weil das Kind es nicht will, weil es keine Möglichkeit gibt den HSU zu besuchen, weil die Eltern es nicht wollen, wegen der Lehrperson. Andere Antworten betrafen die mangelnde Information über den HSU, sowie die elterliche Ansicht, dass es keinen Nutzen hat den HSU zu besuchen: die Kinder beherrschten die Herkunftssprache schon ausreichend, die Kinder sollen nicht den Unterricht in der deutschen Sprache verpassen.

Antje Hansen

Caprez-Krompàk, E. (2010). Entwicklung der Erst- und Zweitsprache im interkulturellen Kontext. Eine empirische Untersuchung über den Einfluss des Unterrichts in heimatlicher Sprache und Kultur (HSK) auf die Sprachentwicklung. Münster: Waxmann.